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Rezension: “Klimaschutz ist Menschenschutz” – Wirksame Medizin gegen Ratlosigkeit in Klimafragen

Cover: "Klimaschutz ist Menschenschutz"

von Constantin Maria Paschertz

“Man wird Dinge niemals verändern, wenn man gegen die existierende Realität ankämpft.“ So beginnt ein Zitat von Buckminster Fuller, einem US-amerikanischen Architekten und Philosophen. Das vollständige Zitat steht aber auch am Anfang des Buches ‘Klimaschutz ist Menschenschutz’ vom Journalisten und Kommunikationsexperten Michael Adler, das 2022 im Verlag oekom erschienen ist. Und Fullers Aussage trifft den Kern des Buches exakt.

Die Problematik des Klimawandels betrifft und beschäftigt bei weitem nicht alle Menschen gleichermaßen. Für die einen sind die Weltuntergangsszenarien durch Überflutungen, Orkane und unerträgliche Hitze längst Realität. Hier, im globalen Norden, in Europa, wo Industrie und Wohlstand für die Beschleunigung des Klimawandels sorgen, leben wir noch weitgehend unbehelligt unser Leben weiter. Wer sich dabei mit dem Klimawandel befasst, sieht sich sehr schnell einer immer höher wachsenden Wand von Problemen gegenüber, deren Bewältigung immer unmöglicher erscheint. Langsame Politik, mächtige Lobbyisten, sture Wirtschaft, Klimaziele, die kaum mehr zu erreichen sind und Endzeitberichterstattung. Ideen verpuffen, werden nur halbherzig angepackt oder versanden, weil sie nicht zur Klientelpolitik vieler Parteien passen. Jeder schaut auf sich und nicht auf das große Ganze. Zugegeben, das ist alles sehr verkürzt beschrieben, aber so geht es vielen Menschen gerade – inklusive mir. Ratlosigkeit und Antriebslosigkeit haben sich breit gemacht, Optimismus kam kaum mehr auf.

Das Buch ‘Klimaschutz ist Menschenschutz’ hat das ein Stück weit geändert und mich auch genau an diesem Punkt abgeholt. Michael Adler befasst sich mit einem Aspekt des Klimawandels, den wir seit Jahren sträflich vernachlässigen: Der Kommunikation über den Klimawandel. Er räumt damit auf, dass wir uns als Gesellschaft einfach haben mitziehen lassen – von der Art und Weise wie debattiert wird, worüber debattiert wird und wie wir eigentlich über Lösungen sprechen. Bereits im Prolog nimmt Adler die Leser*innen mit in den Weltraum des Jahres 1968. Die Raummission Apollo 8 wird genutzt, um ein positives, schönes Bild unseres Planeten zu zeichnen, das nicht von Zerstörung und Ignoranz geprägt ist. Das wirkt – stattdessen kommen Bewunderung und Demut in den Menschen auf. Die Erde hat im großen, weiten Weltraum über Milliarden von Jahren immer Leben und Vielfalt geboten, deren Nutznießer wir als Menschen sind. Das Buch verändert das Bild also gleich zu Beginn auf positive, konstruktive Weise, vermeidet Untergangsbilder und schafft Nähe. Sich mit den überwältigten Astronauten zu identifizieren, die auf die blaue Erde im schwarzen Nichts des Weltraums schauen, fällt wirklich leicht.

Narrative, wie dieses, stützen Adlers roten Faden, um zu verdeutlichen, dass wir anders über die Klimakrise sprechen müssen. Dabei stellt er sich nie über seine Leser*innen und vermeidet – ganz im Sinne seines Buches – einen Frontalunterricht, der nur Zahlen, theoretische Faktengebilde und komplexen Politsprech wiedergibt. Als Leser*in steht man im Zentrum des Buches und ist mit Adler ‘unterwegs’ durch die Weltgeschichte, um die Entwicklung des Klimawandels historisch nachzuvollziehen. Die gute Mischung aus wissenschaftlichen und historischen Beispielen sorgt für schnelles Verstehen und erleichtert den Einstieg in die Thematik. Viel wichtiger ist aber das Verständnis von Kommunikation und ihren Konsequenzen.

Adler verzichtet darauf, so zu tun, als habe er für das Buch zwei Schritte Abstand zum Thema genommen. Man spürt, dass der Klimawandel und die Kommunikation ihn antreiben und faszinieren. Trotz seiner Verbundenheit behält er immer eine klare, differenzierte Art bei und nimmt sich selbst nicht zu ernst. Das schafft Augenhöhe mit den Leser*innen. Als Leser*in beteiligt man sich im Gegenzug vom Start weg an seinen Gedanken und leitet eigene ab. Ein einfaches Beispiel: Adler kommt zu dem Punkt, dass es nicht ‘die Zukunft’ gibt. Es seien mehrere mögliche Zukünfte, die von jedem Menschen gelebt werden können. Ein wichtiger Punkt, den er zum Grundsatz seines Buches macht. Was Adler aufzeigt, nimmt man allerdings nie einfach nur hin. Man reflektiert von Kapitel eins bis ins Nachwort die eigenen Möglichkeiten und Sichtweisen. Die Maschine läuft also, die Blockaden im Kopf lösen sich.

Adler wird im Laufe des Buches jederzeit seinem eigenen Anspruch gerecht, konstruktiv auf den Klimawandel zu blicken. Er stellt die Dinge nicht nur in den Raum, wie sie sind, sondern bietet Lösungswege und entsprechende Zielbilder an. Es geht dabei nicht um Fantasie. Es geht ihm darum, die Faktenlage zu benennen und mithilfe von positiver Vorstellungskraft und realistischen Handlungsmöglichkeiten zu zeigen, wie die Welt, einzelne Länder oder Einzelschicksale mal aussehen könnten. Als zentrale Methode verwendet er das sogenannte ‘Backcasting’, das im Grunde bedeutet, einen Plan nicht vom Jetzt aus sondern vom Ziel in der Zukunft her rückwärts zu schmieden und so das Narrativ aufzubauen.

In der Vorarbeit ist ihm dafür kein Weg zu weit. Adler dröselt ohne Hektik relevante Theoriengebilde auf und erklärt jedes noch so bekannte oder unbekannte Fachwort. Leser*innen lernen so vom ‘Confirmation Bias’, von ‘Nudging’ und ‘Framing’. Letzteres bildet den aufschlussreichsten Teil des Buches, weil Adler die gröbsten Fälle von Misskommunikation im Klimakontext betrachtet und starke Alternativen zu Begriffen wie ‘Klimakrise’, ‘Globale Erwärmung’ oder ‘Klimaschutz’ ausarbeitet. Dabei erwecken die in kleinere Abschnitte aufgeteilten Kapitel mitunter den Eindruck eines Ratgebers, der eine Art Anleitung zur Verbesserung der eigenen Kommunikation liefert.

Jeder neue Abschnitt beginnt mit einem Sachverhalt, der die Leser*in als Individuum adressiert. So holt Adler sie immer aufs Neue in seine Ausführungen. Erst dann folgt eine Einordnung in die Faktenlage. Er arbeitet sich konsequent vom Kleinsten ins Größte vor und nicht umgekehrt. Dazu gehört auch, dass Adler dem Inhalt seiner Ausführungen Lücken zugesteht, weil zum Beispiel wissenschaftliche Erkenntnisse fehlen. Er redet auch nicht drumherum, wenn eine Herausforderung schwer zu bewältigen ist. Es wird nichts klein geredet. Das wird besonders deutlich, wenn er mithilfe des ‘Backcastings’ in einem kompletten Kapitel konkrete Blicke in die Zukunft wirft und von einem klimafreundlichen möglichen Leben im Jahr 2030 erzählt.

Adler scheint an alles gedacht zu haben. Das Weltgeschehen und handelnde Personen stehen genauso wenig auf einer Bühne wie er selbst. Er bricht alles derart gekonnt herunter, dass man nicht mehr den Eindruck hat, man laufe einer enteilten Thematik hinterher. Auch an dieser Stelle ein Beispiel: Adlers Analyse des Phänomens Greta Thunberg, ihrer Klimabewegung sowie deren Kommunikation nimmt dem Ganzen den Knalleffekt. Er assoziiert Greta mit Pippi Langstrumpf, die unbeugsam und stark immer das sagt, was sie denkt. Und er führt das Märchen ‘Des Kaisers neue Kleider’ an, in dem die Grundaussage lautet: Kinder sagen die Dinge ehrlich, wie sie sind und nehmen dabei keine Rücksicht darauf, wer sich eventuell entblößt oder angegriffen fühlt. Adlers Herleitung wirkt erstmal amüsant. Aber Greta ist eben nicht als weltbekanntes Jahrhundertphänomen geboren worden. Sie war zu Beginn ein normales, die Wahrheit aussprechendes 15 Jahre altes Kind, das sich den Mund nicht einfach verbieten lässt. Und das ist sie bei aller Prominenz im Grunde immer noch.

Michael Adler erhebt mit dem Buch nicht den Anspruch, ein neues Lexikon der Kommunikation über den Klimawandel geschrieben zu haben. Es ist viel mehr Stein des Anstoßes für die Leser*innen, selbst über Wording und Framing des Themas nachzudenken und zu reflektieren. Als ich über das Buch in einem Englischkurs referiert habe, hat das schonmal gut funktioniert. Zehn Minuten ging mein Impulsvortrag, dann folgte eine sehr konstruktive Diskussion über das Klimaframing mit Kursteilnehmer*innen aus allen möglichen Winkeln der Welt.

‘Klimaschutz ist Menschenschutz’ ist ein Buch, das für jeden einen Mehrwert bringen kann. Es füllt Wissenslücken, baut Unsicherheiten ab und öffnet neue Perspektiven. Die Thematik verliert über alle Kapitel hinweg nie an Schärfe oder Gewicht. Das Buch öffnet die eigene Wahrnehmung des Klimawandels wieder hin zur Innovation und beendet das Gedankenkarussell rund um die angeblich unausweichliche Katastrophe. Ganz im Sinne von Buckminster Fuller, der sagte: “Man wird Dinge niemals verändern, wenn man gegen die existierende Realität ankämpft. Um wirklich etwas zu verändern, muss man ein neues Modell schaffen, welches das alte Modell überflüssig macht.”

Constantin Maria Paschertz ist freier Journalist und studiert an der Universität Hamburd den Master Journalistik und Kommunikationswissenschaft.

 

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