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… und nun zum Klima? Aktuelle Zahlen zur Klimaberichterstattung im deutschen Fernsehen

von Rahel Roloff

Auf der Jahreskonferenz des Netzwerk Recherche am 16.06.2023 diskutiert Luisa Neubauer mit Fernseh-Redakteur:innen, Chefredakteur:innen, Ressortleiter:innen und Programmdirektor:innen des deutschen Fernsehens unter dem Titel „… und nun zum Klima. Wie eine zeitgemäße Klimaberichterstattung aussehen müsste – und warum es sie bis heute nicht gibt“. Der Titel dieser Runde ist sinnbildhaft für die Aufgabe, vor der das deutsche Fernsehen momentan steht. Ein Update zu den aktuellsten Zahlen über die Klimaberichterstattung im deutschen Fernsehen.

Besonders die öffentlich-rechtlichen Sender geraten immer wieder in die Kritik, der Klimakrise nicht den Platz einzuräumen, den sie angesichts ihrer gesellschaftlichen Relevanz verdient. Eine Sendung, wie sie unter anderem von „Klima vor 8“ gefordert wird, die täglich zur Klimakrise berichtet und informiert und Wege in eine nachhaltigere Zukunft diskutiert ist im öffentlich-rechtlichen Fernsehen nach wie vor nicht zu finden. Auch eine beständige Erwähnung der Klimakrise innerhalb anderer Themen, von denen das Klima ganz klar eine Dimension darstellt, denkt man nur an aktuelle Debatten über Wärmepumpe, den Angriffskrieg in der Ukraine, oder die Unwetter im Sommer, fehlt häufig.

Das Projekt „Klimawandel im deutschen Fernsehen“ soll die Fakten bereitstellen, um in dieser Frage zu einem fundierten Urteil kommen zu können. Eine erste Analyse der 20-Uhr “Tagesschau” seit 2007 und der Häufigkeit der Klimaberichterstattung im Gesamtprogramm von “Das Erste”/ARD, ZDF und WDR erschien Ende 2022 in “Media Perspektiven“. Die der Analyse zu Grunde liegenden Daten sind hier zu finden. Im Folgenden werfen wir einen Blick auf die aktuellsten Zahlen und ordnen diese ein.

Abb. 1: Wöchentliche Summe der Minuten pro Woche, in denen „Klima“ in den Sendern Das Erste, ZDF und WDR erwähnt wird, im Zeitraum Juli 2021 bis Juli 2023.

Der Graph beschreibt eine Langzeitperspektive auf das Gesamtprogramm der drei öffentlich-rechtlichen Sender Das Erste, ZDF und WDR in Form einer Zeitreihe des Prozentsatzes der Sendeminuten pro Woche, in denen das Thema Klima erwähnt wurde.

Blickt man auf die Graphen der verschiedenen Sender, fällt auf, dass diese in der Menge ihrer Klimaerwähnungen kaum voneinander abweichen. Einige Spitzen stechen sofort ins Auge, an denen deutlich mehr Berichterstattung zum Thema Klima stattfindet, als die sonstigen 100-250 Sendeminuten pro Woche mit Klimaerwähnung (zur Einordnung: eine Woche hat 10.080 Minuten). Schauen wir uns diese genauer an:

Ende September 2021, zum Zeitpunkt der Bundestagswahl, kumulieren sich einige Klima-relevante Ereignisse, die in ihrer Summe zu einer erhöhten Berichterstattung über das Thema führen. Zum einen fokussierte sich die mediale Berichterstattung auf die Analyse der Wahlergebnisse und die Frage nach möglichen Koalitionsbildungen. Hierbei sind in den Wochen nach der Wahl besonders Gespräche zwischen der FDP und Grünen ausschlaggebend, bei denen Fragen rund um die Klimapolitik im Fokus standen. Zeitgleich fanden in dieser Woche globale Klimastreiks statt, die großen Zulauf von tausenden Demonstrierenden fanden. Zudem konnte eine Extremwetterstudie des Potsdam Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) belegen, dass Kinder bis zu sieben Mal mehr Hitzewellen erleben würden als ihre Eltern.

Der internationale Klimagipfel im November 2021 (COP26 in Glasgow) beschäftigte sich mit Fragen zu Klima-Reparationszahlungen und zog, wie wir aus der Forschung wissen (z.B. Online Media Monitor), traditionell eine Welle der Berichterstattung nach sich.

Der Peak im Juni 2022 ist den EU-Verhandlungen zu Verbrennermotoren zuzuordnen, ab 2035 sollen Neuwagen in der EU emissionsfrei sein. Zuvor war auch in der deutschen Regierung lange um eine gemeinsame Linie gestritten worden.

Das Hoch in der Berichterstattung im November 2022 kann man erneut durch die Berichterstattung über die internationale Klimakonferenz (COP27 in Sharm el-Sheik) erklären. Auch Ende November ist das Berichterstattungs-Hoch durch politisches Geschehen zu erklären, da ein Krankenwagen nicht rechtzeitig an einen Unfallort kam, in dessen Nähe sich Aktivist:innen der Letzen Generation auf einer Straße festgeklebt hatten. Hier ist besonders zu vermerken, dass sich die medialen Debatten wenig auf die Klimakrise selbst bezogen, sondern vermehrt auf das Vorgehen der Aktivist:innen. Der Peak ist allerdings hauptsächlich der Berichterstattung um die COP27 zuzurechnen, dessen Auftakt und Ergebnisse erhöhte mediale Aufmerksamkeit bekamen.

Auch in diesem Jahr blieb die Klimaberichterstattung im deutschen Fernsehen ereigniszentriert. Gleich zu Jahresbeginn schafften es Proteste der Klimabewegung das Klima auf die mediale Agenda zu setzen, Anlass war der Abriss des Dorfes Lützerath in Nordrhein-Westfalen. Besondere Aufmerksamkeit erregte vor allem die Festnahme von Greta Thunberg, die für den Protest angereist war.

Im Frühjahr führte der Klimaentscheid in Berlin zu einer vermehrten Berichterstattung, in denen Berliner:innen darüber abstimmten, ob die Stadt bereits 2030 klimaneutral sein sollte. Zwar stimmte eine Mehrheit der Abstimmenden dafür, jedoch braucht es bei Volksentscheiden in Berlin auch 25% aller stimmberechtigten Berliner:innen für den Entscheid.

Im April diesen Jahres häuften sich einige kleinere Ereignisse: neben dem Windkraftgipfel in Belgien, bei dem Bundeskanzler Scholz den Ausbau der Offshore Windkraft versprach und dem Zukunftskongress der CDU, auf dem die Partei ankündigte, Antworten auf den Klimawandel zu präsentieren, fand erneut eine konzertierte Protestaktion der Letzten Generation statt, die in Berlin rund 30 Straßenblockaden veranstalteten.
Der Peak im Juni 2023 ist klar den Vorbereitungen der UN-Klimakonferenz bei einem Gipfel in Bonn zuzuschreiben und unterstreicht erneut die Wirkrichtung von nationalen und internationalen Großereignissen politischer Natur, die die Klimaberichterstattung zeichnen.

Zusammenfassend kann man den Beiträgen der Sender also auch im aktuellsten Beobachtungszeitraum – bis Juni diesen Jahres – „Ereigniszentriertheit“ zuschreiben, wie sie auch häufig der Berichterstattung zum Thema Klima im Printbereich attestiert wird. Eine Konsequenz dieser Dynamik ist die Abwesenheit des Themas „Klima“ über lange Strecken. Zwar schaffen es politische Ereignisse und vor allem aktivistische Aktionen, das Klima immer wieder auf die mediale Agenda zu setzten, und so die Anzahl der Peaks zu erhöhen, allerdings fehlt es weiterhin an einer ausgewogenen, informativen und lösungsorientierten Berichterstattung über das Thema, welches die Zukunft der Menschheit auf diesem Planeten bestimmt. Das Klima ist somit auch in unserem letzten Beobachtungszeitraum von Juli 2021 bis Juli 2023 nicht das dominierende, sondern eines neben anderen Themen.

Es bleibt also eine Aufgabe der öffentlich-rechtlichen Medien, das Klima nicht nur als Nachricht selbst, sondern als Dimension anderer Themen mit- zu berichten und an Formaten zu arbeiten, die eine Debatte über Lösungen anstößt und kreative Vorschläge beleuchtet, unsere Systeme auf die kommenden Jahre einzustellen. Nur so können Fragen, „wie eine zeitgemäße Klimaberichterstattung aussehen müsste“ erarbeitet werden und ihren Nachsatz „ – und warum es sie bis heute nicht gibt“ endlich verlieren. Unser Projekt „Klimawandel im deutschen Fernsehen“ möchte hierfür die Datenbasis schaffen und so Teil der Lösung sein.

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