von Anne Reif und Michael Brüggemann
Die aktuellen Ergebnisse einer seit 2015 wiederholten Befragung der deutschen Bevölkerung zum Thema Klimawandel und Klimapolitik zeigt für 2023 einen Rückgang des Klimabewusstseins. Leugnung und Verweigerung sowie Delegitimierung von Klimapolitik und Protesten sind gestiegen bei weiterhin geringem Hintergrundwissen.
Ende 2023 fand die 28. Klimakonferenz der Vereinten Nationen statt, bei der eine Bestandsaufnahme der erreichten Ziele seit dem Pariser Klimaabkommen (2015) und der Ausstieg aus fossilen Brennstoffen diskutiert wurden. Unter der Leitung einer Konferenzpräsidentschaft mit engen Bindungen an die Ölindustrie wurde kein Ausstieg, aber immerhin eine Abkehr von Kohle, Gas und Öl beschlossen. In Deutschland war die Stimmung rund um Klimaschutz und Klimapolitik zu diesem Zeitpunkt sehr aufgeheizt durch Debatten um die Protestaktionen der „Letzten Generation“ und die Neuerungen im Gebäudeenergiegesetz.
Vor diesem Hintergrund befragten wir im Projekt Down2Earth der Universität Hamburg ca. 1000 Personen in Deutschland zur Wahrnehmung von Klimawandel, Klimapolitik und der betreffenden Medienberichterstattung. Die Umfrage haben wir bereits zum fünften Mal während einer UN-Klimakonferenz erhoben (erstmals in 2015) mit dem Ziel, mögliche Veränderungen in der deutschen Bevölkerung zu dokumentieren und zu erklären.
Unsere aktuellen Ergebnisse weisen auf ein deutlich geändertes Meinungsklima in Deutschland hin. Im Vergleich zur letzten Erhebung in 2021 gaben nur noch etwa halb so viele Befragte den Klimawandel als eines der zwei aktuell wichtigsten Probleme in Deutschland an (2021: 41%, 2023: 22%). Erstmals sank in unserer Zeitreihe das Interesse an Klimapolitik (2021: 47%, 2023: 40%) und noch deutlicher die Einschätzung der persönlichen Themenrelevanz (Abb. 1). In 2023 gaben zwar weiterhin über die Hälfte (59%) der Befragten an, dass das Thema für sie hohe Bedeutung hat (2021: 67%), allerdings sind das sogar weniger Befragte als noch in 2015 (65%). Auch die Wahrnehmung, dass die Befragten selbst (aktuell 45%), die Politik (40%) oder die Gesellschaft (33%) etwas gegen den Klimawandel tun können, ist rückläufig und liegt knapp zehn Prozent unter dem Niveau von 2021 (Abb. 2).
Des Weiteren zeigen unsere Umfragedaten erstmals auch einen deutlichen Rückgang im Vertrauen in Informationen der Klimawissenschaft von 53 auf 46 Prozent. Dieser Trend spiegelt sich auch in einer nachlassenden Überzeugung über die Ursachen und Folgen des Klimawandels (-7%, -9% zu 2021) wider bzw. in einer wachsenden Verunsicherung darüber, ob ein globaler Erwärmungstrend überhaupt als gesichert gilt und die Wissenschaft die Gefahren des Klimawandels nicht nur übertreibt (+7%, +8% zu 2021, Abb. 3). Tendenzen von Leugnung und Verweigerung haben also zuletzt deutlich zugenommen.
Während den großen Schwellen- und Industrieländern die Hauptverantwortung für Klimapolitik zugeschrieben wird (75%, 59%, Abb. 4), waren deutlich weniger Befragte der Meinung, dass Deutschland eine Vorreiterrolle im internationalen Klimaschutz einnehmen sollte (39%). Die Zustimmungswerte zu allen Fragen der klimapolitischen Einstellungen sind im Vergleich zu 2021 um ca. zehn Prozentpunkte gesunken. Auch die Unterstützung für Klimaproteste erscheint gering und ist von der Protestform abhängig. Während nur 13 Prozent Straßenblockaden, wie die der Letzten Generation, für gerechtfertigt halten, liegt selbst der Zuspruch für angemeldete Demonstrationen, die den Alltag nicht stören (z. B. Fridays for Future-Proteste), bei nur knapp der Hälfte der Befragten (48%).
Besonders bezeichnend erscheint auch, dass die Befragten weiterhin über wenig thematisches Hintergrundwissen verfügen, welches notwendig wäre für politische Wahlentscheidungen und persönliches klimafreundliches Alltagshandeln. So nimmt etwa ein Viertel der Befragten falsch an, dass Deutschland besonders niedrige CO2-Emissionen pro Kopf hat im Vergleich zu Indien, den USA oder Katar. Nur 14 Prozent wissen, dass Indien die geringsten Prokopf-Emissionen hat.Dass sich die weltweiten CO2-Emissionen seit 1990 um ca. die Hälfte erhöht haben, wissen außerdem etwa 18 Prozent. Ähnlich wenige wissen, was sich hinter dem Zwei-Grad-Ziel verbirgt. Die Fragen waren Multiple-Choice: es konnte also unter den verschiedenen Antwort-Möglichkeiten auch richtig geraten werden.
Unsere Befragungsergebnisse zeichnen ein klares Bild: Den Themen Klimawandel und Klimapolitik wurde zuletzt eine geringere gesellschaftliche Bedeutung beigemessen. Entgegen des vormals konstant hohen Problembewusstseins, durch welches sich die deutsche Bevölkerung im internationalen Vergleich jahrelang hervorhob, sehen wir nun erstmals eine nennenswerte Anzahl an Personen, die den Klimawandel leugnen. Das kann als Rückschlag für den Klimaschutz gewertet werden, weil die Politik eine breite Mehrheit hinter sich bringen muss für die notwendigen weitreichenden Reformen.
Ähnlich anderer aktueller Befragungen sehen auch wir einen leichten Rechtsruck in der Partei-Orientierung der Befragten. Die AfD hat Klimawandelleugnung und Abwehr von Klimaschutz zum Teil ihres Wahlprogramms erklärt. Nicht nur die Medienberichte zur letzten Klimakonferenz, sondern auch die pessimistische Grundhaltung gegenüber der Ampelregierung, dem Gebäudeenergiegesetz und den Protesten der Letzte Generation könnten die aktuellen Befragungsdaten geprägt haben.
So haben wir etwa in einer anderen eigenen Studie die Berichterstattung über die Letzte Generation im Vergleich zur Friday for Future Bewegung untersucht und gezeigt, dass alle Medien die Letzte Generation vor dem Hintergrund diskutiert haben, ob diese Kriminelle oder eine extremistische Bewegung sind, während das eigentliche Anliegen (globale Klimagerechtigkeit) weniger thematisiert wurde als in der Berichterstattung über Fridays for Future (Meyer et al. 2023).
Insgesamt sind unsere Ergebnisse als Momentaufnahme zu sehen – die öffentliche Meinung wird sich stetig verändern. Allerdings spricht die wiederholte Befragung über fünf Zeitpunkte und einen Zeitraum von acht Jahren nicht für ein stetig zunehmendes Klimabewusstsein.
Mögen diese Ergebnisse auch ernüchternd wirken: ein hoher Anteil der Befragten (65%) ist auch aktuell der Meinung, dass sich die gesamte Gesellschaft grundlegend für Klimaschutz verändern sollte.